Die German Ombudsman Association – Vereinigung deutscher Vertrauensanwälte e.V. ist eine Vereinigung von Rechtsanwälten und Unternehmensjuristen, die sich darauf spezialisiert haben, Organisationen bei der Aufklärung von Straftaten und Compliance-Verstößen als externe Vertrauensanwälte, sog. Ombudspersonen, zu unterstützen. Dabei ist der Begriff Organisation weit zu verstehen und umfasst alle Beschäftigungsgeber, etwa natürliche Personen, juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, insbesondere auch (Sport-)Vereine und Verbände, rechtsfähige Personengesellschaften, andere rechtsfähige Personenvereinigungen, öffentlich-rechtliche Einrichtungen und etwa auch NPO/ NGOs.

Durch das am 02.07.2023 in Kraft getretene Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) hat der Gesetzgeber in Umsetzung von Vorgaben der EU zwar ein Regelwerk zur Einrichtung von Meldestellen und dem Schutz von hinweisgebenden Personen geschaffen. Viele tatsächliche und rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Ombudstätigkeit sind jedoch weiterhin ungeregelt geblieben. Daher hat die German Ombudsman Association – Vereinigung deutscher Vertrauensanwälte e.V. Standards entwickelt, um Mitgliedern, Organisationen und Interessierten sowohl einen Überblick über diese Fragen zu verschaffen als auch konkrete Empfehlungen zu Organisation, Einrichtung und Handhabung von Ombudsstellen zu geben.

Mit den vorliegenden Standards verfolgt die German Ombudsman Association – Vereinigung deutscher Vertrauensanwälte e.V. darüber hinaus das Ziel, den Gesetzgeber auf die drängenden, ungeregelten Fragen hinzuweisen und konkrete Lösungsvorschläge für eine praktikable, transparente und vor allem rechtssichere Ombudstätigkeit zu präsentieren.

Juristische Sonderfälle und Ausnahmeregelungen werden nicht behandelt. Die dargestellten Standards ersetzen auch nicht die erforderliche rechtliche Beratung im Einzelfall. Mit der Veröffentlichung dieser Standards ist die Diskussion zum jeweiligen Themenkreis nicht abgeschlossen. Aus ihrer anwaltlichen Expertise und praktischen Erfahrung heraus sehen sich die Mitglieder der German Ombudsman Association – Vereinigung deutscher Vertrauensanwälte e.V. jedoch in der Lage, diese Diskussion in die ihres Erachtens richtige Richtung zu weisen – mit dem Ziel, dass die jeweiligen Stakeholder von potenziellem Fehlverhalten möglichst umfassend Kenntnis erlangen, die hinweisgebende Person dabei zugleich maximal geschützt sind und sich die jeweilige Ombudsperson rechtlich auf sicherem Terrain bewegt. Auf Literaturangaben wurde weitgehend verzichtet. Wo sie zu finden sind, erheben sie keinen Anspruch darauf, die wissenschaftliche Diskussion und/oder die Rechtsprechung vollständig abzubilden.

These 1: Ombudstätigkeit ist die Entgegennahme und Bearbeitung von Hinweisen durch einen von einer Organisation beauftragten Dritten (Ombudsperson), die sich auf mögliches Fehlverhalten innerhalb der Organisation oder deren Umfeld beziehen. Wesentliches Merkmal der Ombudstätigkeit ist die vertrauliche Kommunikation mit der hinweisgebenden Person im Interesse der Organisation. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung und künftigen Verhinderung von Regelverstößen.

Taten gelangen durch Hinweise aus dem Dunkelfeld in das Hellfeld. Es darf angenommen werden, dass aufeinander abgestimmte Compliance-Instrumente, zu denen Hinweisgeberkanäle zählen, sich gegenseitig ergänzen und in bestimmtem Umfang bereits präventiv wirken. Die Organisation geht dabei davon aus, dass einem Gesprächsangebot über eine außenstehende Ombudsperson bisweilen mehr Vertrauen entgegengebracht wird als internen Gesprächspartnern. Dieses Vertrauen rührt daher, dass die Ombudsperson regelmäßig über die Beauftragung hinaus nicht in die Organisation eingebunden und von dieser im Übrigen unabhängig ist.

Die Ombudsperson ist von der Organisation damit beauftragt und dadurch in der Lage, die Kommunikation mit der hinweisgebenden Person so führen, dass deren Rechte sowie die Rechte der betroffenen oder der im Hinweis sonst benannten Personen gewahrt sowie sämtliche Informationen im Rahmen des Zulässigen mit Vertraulichkeit behandelt werden. Der Einsatz einer Ombudsperson bietet damit im besonderen Maße die Gewähr, dem Vertrauen gerecht zu werden, welches die hinweisgebende Person dem Gesprächsangebot der Organisation entgegenbringt (Schutz vor Repressalien).

Organisationen sehen in diesem Vertrauensverhältnis auch die Chance eines Dialogs zwischen hinweisgebender Person und Ombudsperson. Dieser Dialog kann es ermöglichen, den vorgetragenen Lebenssachverhalt besser zu verstehen und aufzuklären. Hierbei geht es zunächst um eine ausführliche Sachverhaltsklärung durch Nachfragen und Plausibilitätsprüfungen. Durch die in der Regel längere Zusammenarbeit zwischen der Organisation und der Ombudsperson einerseits und die Kommunikation der Ombudsperson mit der hinweisgebenden Person andererseits besteht die Chance, Hinweise besser einzuordnen.

Die Tätigkeit einer Ombudsperson, wie vorstehend beschrieben, geht über die reine Botenfunktion hinaus und beschränkt sich nicht wie bei einer technischen Vorrichtung auf die Entgegennahme von Hinweisen. Erfahrungen der Ombudsperson im sogenannten Case-handling können der Organisation dabei eine wertvolle Hilfe sein, etwa in der ersten Risikoeinschätzung sowie im Umgang mit Behörden. Auch kann die Perspektive eines Außenstehenden eine neue Sichtweise eröffnen. Dabei verbleibt die Verantwortung dafür, Verstöße zu beheben und durch Präventionsmaßnahmen Verstöße aus gleichem Grund zu verhindern, stets bei der Organisation.

These 2: Die Tätigkeit als Ombudsperson sollte durch einen Anwalt wahrgenommen werden.

Anwälte können durch ihre beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen den komplexen Anforderungen der einschlägigen Regelungen (z.B. Bewertung von Zeugenaussagen, die Prüfung eines Anfangsverdachts, die rechtliche Relevanz der Meldung) besser als andere Berufsgruppen (etwa Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater) gerecht werden. Durch die Beauftragung eines Anwalts kann sichergestellt werden, dass die Organisationen die gesetzlichen Vorgaben einhalten und so letztlich auch die hinweisgebenden Personen sowie die von dem Hinweis Betroffenen umfassend geschützt sind.

Durch das Berufsrecht werden bestimmte Standards vom Anwalt gefordert, die bei der Tätigkeit einer sonstigen Person nicht gewährleistet sind.

Ombudspersonen, die Nachrichten von hinweisgebenden Personen entgegen nehmen, befinden sich in einer komplexen und verantwortungsvollen Rolle, die einerseits die Interessen der Organisation, andererseits das Schutzniveau zu Gunsten der hinweisgebenden Person selbst berücksichtigen müssen (insbesondere den Vertraulichkeitsschutz). Diese im HinSchG angelegte Konfliktlage kann ein Rechtsanwalt, der mit berufsrechtlichen Kernthemen der anwaltlichen Verschwiegenheit, der Sachlichkeit, der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Interessenvertretung und der nachhaltigen Sicherung des Vertraulichkeitsschutzes gegenüber einem Dritten professionell befasst ist, deutlich besser als Vertreter anderer Berufsgruppen gewährleisten. Gleiches gilt für die Ordnungsgemäßheit der Plausibilitätsprüfung nach § 17 Abs. 1 Nr. 4 HinSchG.

These 3: Die Wahrnehmung der Aufgaben einer Ombudsperson durch einen Rechtsanwalt ist anwaltliche Tätigkeit.

Ausgangspunkt der Betrachtung ist § 3 Abs. 1 BRAO, wonach der Rechtsanwalt der „berufene und unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten“ ist. Für die Bestimmung anwaltlicher Tätigkeit ist im Wesentlichen auf den Mandatsvertrag abzustellen; die Rechtsberatung muss hierbei nicht den Schwerpunkt bilden, solange Rechtsfragen nicht völlig in den Hintergrund treten. Insofern ist es unerheblich, ob solche Tätigkeiten auch von Nicht-Juristen vorgenommen werden können. Allein die Mandatierung eines Rechtsanwaltes als solches ist ein starkes Indiz dafür, dass eine Beratung in Rechtsangelegenheiten im Sinne des § 3 Abs. 1 BRAO erfolgt (vgl. auch BGH, NJW 1998, 3486; 1999, 3040).

Hinzu kommt, dass die Regelung zu Syndikusrechtsanwälten in § 46 Abs. 3 BRAO zeigt, dass von einem weiten Begriffsverständnis der anwaltlichen Arbeit auszugehen ist, die sich kontinuierlich fortentwickelt. In § 46 Abs. 3 BRAO ist explizit geregelt, dass auch die Sachverhaltsaufklärung anwaltliche Tätigkeit ausmacht. § 1 Abs. 2 RVG, der einen Katalog nicht anwaltlicher Tätigkeiten beinhaltet, erwähnt die Ombudstätigkeit nicht.

Darüber hinaus enthält § 17 Abs. 1 Nr. 4 HinSchG eine Regelung dahingehend, dass eine zentrale Funktion der Ombudsperson in der Plausibilitätsprüfung besteht, die nach Maßgabe eines Anfangsverdachts (§ 152 Abs. 2 StPO) von einem anwaltlich geschulten Rechtsanwalt fundierter und sorgfältiger vorgenommen werden kann als von einem Nicht-Juristen. Gleiches gilt für die Struktur der Gesprächsführung auf juristischer Basis (Vorprüfung).

So hat es denn auch das Bundesverfassungsgericht in dem Komplex Jones Day offenbar als selbstverständlich vorausgesetzt, dass die verwandten internen/externen organisationsbezogenen Untersuchungen anwaltliche Tätigkeit sind, ansonsten wäre eine Auseinandersetzung mit §§ 97, 160 StPO nicht erforderlich gewesen.

These 4: Die von einem Rechtsanwalt vorgenommene Ombudstätigkeit ist selbständige und keine gewerbliche Tätigkeit. Sie ist nicht gewerbesteuerpflichtig.

Gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit solche aus freiberuflicher Tätigkeit. Zur freiberuflichen Tätigkeit gehört die selbständige Berufstätigkeit der Rechtsanwälte. Beim Tätigwerden eines Anwalts als Ombudsperson handelt es sich um anwaltliche Tätigkeit (vgl. These 3).

Jedenfalls handelt es sich um eine Berufstätigkeit in einem „ähnlichen Beruf“ im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, 2. Halbsatz EStG: Die anwaltliche Ombudstätigkeit ist insoweit gut vergleichbar mit der anwaltlichen Tätigkeit als Mediator nach § 18 BORA.

Für die Qualifizierung als freiberufliche Tätigkeit ist irrelevant, ob die Ombudsperson elektronische Meldekanäle dritter Anbieter zur Verfügung stellt, über die sich der Hinweisgeber an die Ombudsperson wenden kann.

These 5: Das Mandatsverhältnis besteht ausschließlich zwischen der anwaltlichen Ombudsperson und der sie mandatierenden Organisation. Es besteht kein Mandatsverhältnis zwischen der Ombudsperson und der hinweisgebenden Person.

Nach geltender Rechtslage, die sich aus §§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 BORA und § 356 StGB ergibt, ist nur die gleichgerichtete Interessensvertretung mehrerer Mandanten bzw. Parteien möglich. Eine Doppelmandatierung ist nicht möglich, sofern – wie hier – eine Interessenkollisionen in einer Mehrfachvertretung angelegt ist. Nur § 18 BORA lässt Ausnahmen zu (etwa bei Mediationstätigkeiten), findet indes aktuell (auch in der Fassung vom 01.06.2023) keine Anwendung. Die drei dort genannten Tätigkeitsbereiche beschreiben verschiedene Verfahrensarten der Konfliktbeilegung und unterwerfen den Rechtsanwalt insoweit dem anwaltlichen Berufsrecht. Hiervon nicht umfasst ist (weiterhin) die anwaltliche Ombudstätigkeit.

Die Ombudsperson wird mit dem Mandatsvertrag allein von der Organisation beauftragt und wird in deren Interesse tätig. Ein Mandatsverhältnis zu der (oder gar den) hinweisgebenden Person(en) besteht nicht. Nur auf diese Weise kann eine rechtliche Interessenkollision ausgeschlossen werden. Ein entsprechender Interessenskonflikt wäre in einer solchen Doppelvertretung jedenfalls angelegt. Der Konflikt besteht darin, dass die Organisation auf der einen Seite den Vertraulichkeitsschutz zu gewährleisten hat, andererseits ein zentrales Interesse an einer Sachverhaltsaufklärung hat, um Haftungsrisiken (etwa nach §§ 30, 130 OWiG) abzuwenden bzw. Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Die Organisation hat ein deutlich geringeres Interesse an der Sicherung von Vertraulichkeit als die hinweisgebende Person. Lücken in der Sachverhaltsaufklärung können sogar die Aufklärungsziele beeinträchtigen. Zuweilen ist die hinweisgebende Person selbst in den Sachverhalt (mit einer potenziellen Schadenswirkung zum Nachteil der Organisation) verstrickt, so dass das Risiko einer eigenen Beschuldigtenstellung besteht. Ihr Verhalten und ihre Interessenlage können sich ändern. Durchgängig gleichgelagerte Interessen dürften im Regelfall nicht bestehen.

Das HinSchG ist entsprechend ausgerichtet, in dem es bestimmt, dass interne Meldestellen der von dem Anwendungsbereich des Gesetzes betroffenen Organisation auch externe Rechtsanwälte sein können (S. 85 f. der Gesetzesbegründung).

Der gesetzliche Zustand ist zugleich unbefriedigend und lückenhaft. Es bedarf einer Modernisierung des Berufsrechts.

These 6: Zwischen der Ombudsperson und der Organisation besteht ein Mandatsvertrag mit Schutzwirkung zugunsten der hinweisgebenden Person als Drittem.

Der Mandatsvertrag sollte einen unwiderruflichen Verzicht der Organisation auf Auskunfts- und Herausgabeansprüche hinsichtlich der Identität (oder gar Anonymität) der hinweisgebenden Person enthalten. Der hinweisgebenden Person sollte die Möglichkeit gegeben werden, ihre Identität gegenüber der Organisation, insb. auch gegenüber der internen Meldestelle, geheim zu halten. Diese in der Praxis etablierte Form steht nicht im Widerspruch zum Berufsrecht. Insoweit wird der Schutzumfang des Hinweisgeberschutzgesetzes erweitert.

Gegenüber den Behörden besteht auch mit Blick auf die von der hinweisgebenden Person der Ombudsperson anvertrauten Informationen ein Zeugnisverweigerungsrecht der Ombudsperson nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO. Wessen Entbindungserklärung für die Verschwiegenheit erforderlich ist, hängt von der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit der Ombudsperson im Einzelfall ab (vgl. These 15). Dies sollte im Mandatsvertrag zwischen der Organisation und der Ombudsperson geregelt werden.

These 7: Ombudspersonen decken die gesetzlichen Vorgaben aus § 16 Abs. 3 HinSchG vollständig ab; dies ist bei einem rein elektronischen Meldekanal nicht der Fall.

Gem. § 16 Abs. 3 S. 1 HinSchG müssen interne Meldekanäle Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen. Nach S. 2 müssen mündliche Meldungen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich sein. S. 3 besagt, dass auf Ersuchen der hinweisgebenden Person für eine Meldung innerhalb einer angemessenen Zeit eine persönliche Zusammenkunft mit einer für die Entgegennahme einer Meldung zuständigen Person zu ermöglichen ist. S. 4 bestimmt schließlich, dass mit Einwilligung der hinweisgebenden Person die Zusammenkunft auch im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen kann.

Zwar scheint es technisch denkbar, einen elektronischen Meldekanal so auszugestalten, dass er in der Lage ist, auch mündliche Meldungen, etwa in Form von Sprachnachrichten, entgegenzunehmen. Auf die Möglichkeit einer entsprechenden Vorgehensweise deutet auch § 16 Abs. 3 S. 2 HinSchG hin, wenn es dort heißt, dass mündliche Meldungen nur entweder per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich sein müssen. Den Anforderungen der Sätze 1 und 2 des § 16 Abs. 3 HinSchG tragen elektronische Meldekanäle mithin wohl noch Rechnung.

Eine persönliche Zusammenkunft, sprich eine tatsächliche physisch-reale Begegnung zweier Personen, wie sie nach § 16 Abs. 3 S. 3 HinSchG auf Verlangen der hinweisgebenden Person zu organisieren ist, vermag ein rein elektronischer Meldekanal naturgemäß indes nicht zu ermöglichen. Insoweit ist vielmehr ein menschlicher Ansprechpartner erforderlich, wie ihn eine Ombudsperson paradigmatisch zu verkörpern vermag.

These 8: Übertragen auf die Terminologie des HinSchG ist die Ombudsperson ein besonderer, nämlich als anwaltliche Tätigkeit ausgestalteter Meldekanal. Der Ombudsperson können darüber hinaus im Rahmen des rechtlich Zulässigen durch den Mandatsvertrag weitere Aufgaben und Befugnisse der internen Meldestelle übertragen werden.

Das HinSchG unterscheidet terminologisch zwischen „Meldestelle“ und „Meldekanal“. Nach § 13 Abs. 1 HinSchG betreiben die internen Meldestellen Meldekanäle i.S.d. § 16 HinSchG. Über diese Meldekanäle wiederum sollen sich Beschäftigte an die internen Meldestellen wenden können, um Rechtsverstöße zu melden, § 16 Abs. 1 S. 1 HinSchG. Eine solche Meldung muss mündlich oder in Textform bzw. persönlich abgegeben werden können, anonyme Meldungen sollten nach § 16 Abs. 1 S. 4 HinSchG ebenfalls ermöglicht werden.

Die interne Meldestelle hat nach § 13 Abs. 1 HinSchG die Aufgabe, das Verfahren zu führen und Folgemaßnahmen zu ergreifen. Was Verfahrensführung bedeutet, regelt § 17 HinSchG. Die meisten der dort genannten Aufgaben sind Bestandteil eines jeden Mandatsvertrags über eine anwaltliche Ombudstätigkeit, vgl. insbesondere § 17 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 HinSchG, aber auch die Pflicht zur Rückmeldung nach § 17 Abs. 2 HinSchG. Letztere spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn die hinweisgebende Person gegenüber der Organisation anonym bleiben möchte und nur die Ombudsperson über die notwendigen Kontaktdaten verfügt. Die in § 17 Abs. 1 Nr. 6 HinSchG normierte Pflicht, angemessene Folgemaßnahmen zu ergreifen, fällt indes – jedenfalls was größere Organisationen betrifft – nicht bzw. nicht zwingend in den Aufgabenbereich einer Ombudsperson interne Untersuchungen etwa (§ 18 Nr. 1 HinSchG) oder die Abgabe des Verfahrens an eine zuständige Behörde (§ 18 Nr. 4b HinSchG), werden in großen Organisationen häufig nicht von der Ombudsperson verantwortet, sondern von der Compliance-Abteilung oder der internen Revision und letztlich von der Unternehmensleitung. In diesen Fällen ist die Ombudsperson daher nicht als interne Meldestelle anzusehen, sondern vielmehr als ein besonderer Meldekanal, der mit anwaltlicher Kompetenz und Befugnis ausgestattet ist: Die Ombudsperson prüft die eingehenden Meldungen stets auf Schlüssigkeit, bessert bei fehlender Schlüssigkeit gemeinsam mit der hinweisgebenden Person nach, nimmt eine juristische Vorprüfung vor und informiert die hinweisgebende Person über den Verfahrensablauf. Sie bleibt als Bindeglied mit der berufsrechtlichen Pflicht zur Verschwiegenheit insbesondere in den Fällen anonym eingereichter Meldungen in die Kommunikation zwischen der hinweisgebenden Person und der Organisation in das Verfahren eingebunden. Somit ist die anwaltliche Ombudsperson mehr als beispielsweise ein digitaler Hinweiskanal, in den die meldenden Personen nur einen Sachverhalt eintippen oder aufsprechen können.

Die anwaltliche Ombudsperson kann von der sie mandatierenden Organisation mit weiteren Aufgaben einer internen Meldestelle ausgestattet werden.

These 9: Das HinSchG schützt nur die Identität der hinweisgebenden Personen. Mit der Organisation ist zu klären, ob darüber hinausgehende Schutzmechanismen für hinweisgebende Personen vereinbart werden können, die die Schwelle für eine Meldung noch weiter herabsetzen.

Das HinSchG schützt die Identität der hinweisgebenden Personen nach Maßgabe der Regelungen in §§ 8, 9. Nach dem HinSchG steht der hinweisgebenden Person somit lediglich das Recht zu, darüber zu entscheiden, ob ihre Identität offengelegt wird, nicht jedoch, ob ihre gegenüber der Ombudsperson abgegebene Meldung (ggf. anonymisiert) an die Organisation weitergeleitet werden soll.

Um die Schwelle der Bereitschaft für eine Eingabe bei der Ombudsstelle zu reduzieren, kann mit der Organisation vereinbart werden, dass die hinweisgebende Person darüber entscheiden kann, ob eine Meldung an die Organisation weitergegeben wird.

Die Grenzen dieser Entscheidungshoheit finden sich jedoch in den Fällen der Anzeigepflicht nach § 138 StGB. Diese Anzeigepflicht bezieht sich ausschließlich auf die in § 138 Abs. 1, Abs. 2 StGB ausdrücklich aufgezählten Katalogtaten. Eine analoge Anwendung der Vorschrift ist nicht möglich (vgl. nur Lackner/Kühl, § 138, Rn. 2 m.w.N.). Da in Organisationen in der Regel lediglich die Verwirklichung von Vergehenstatbeständen (vgl. § 12 S. 2 StGB) in Frage steht, dürfte eine Anzeigepflicht nach § 138 StGB in der Praxis der absolute Ausnahmefall sein. Dies gilt umso mehr, als eine Anzeigepflicht nur dann besteht, wenn die Ausführung oder (bei Kenntniserlangung erst nach Tatbeginn) der Erfolg der Straftat noch abgewendet werden kann (vgl. BGH NStZ 1996, 595). Hieran fehlt es, sofern es nur um die Anzeige bereits vollendeter oder sogar beendeter (§ 78a StGB) Straftaten geht.

Es sollte geprüft und mit der Organisation abgestimmt werden, ob darüber hinaus Fälle von der Entscheidungshoheit der hinweisgebender Person ausgenommen werden sollen, in denen die Organisation aufgrund gesetzlicher Regelungen oder anderer Umstände ihrerseits verpflichtet ist, einen Sachverhalt anzuzeigen oder zu berichtigen (z.B. § 153 AO).

These 10: Der hinweisgebenden Person sollte die Möglichkeit gegeben werden, ihre Identität gegenüber der Organisation, insb. gegenüber der internen Meldestelle, geheim zu halten.

Ausgangslage der These ist der Eingang einer Meldung bei einer Ombudsperson, der die Identität der der hinweisgebenden Person bekannt ist oder bekannt wird.

Im Zusammenhang mit der Pflicht zur Offenbarung der Identität von hinweisgebenden Personen hat der BGH in seinem Urteil vom 22.02.2022 (VI ZR 14/21) entschieden, dass im Einzelfall eine Interessenabwägung zwischen dem Auskunftsrecht (Art. 15 Abs. 1 DSGVO) einer von einem Hinweis betroffenen Person und dem Interesse der hinweisgebenden Person an der Geheimhaltung ihrer Identität vorgenommen werden muss. Geht diese Interessenabwägung im Einzelfall zugunsten einer betroffenen Person aus, ist die Organisation rechtlich verpflichtet, der betroffenen Person die Identität der hinweisgebenden Person offenzulegen. Entsprechendes gilt auch für die beauftragte Ombudsperson. Ausnahmen, in denen ein Mitarbeiter der internen Meldestelle der Organisation oder die Ombudsperson sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß §§ 52, 53 StPO oder ein Aussageverweigerungsrecht gemäß § 136 StPO berufen können, welches die Offenbarung der Identität doch noch verhindert, sind entweder ausgeschlossen oder dürften jedenfalls zu den äußerst exotischen und seltenen Einzelfällen zählen.

Fazit: Ein vollständiger Vertrauensschutz der Identität der hinweisgebenden Person ist somit gesetzlich nicht gesichert, denn das die Ombudsperson auszeichnende Merkmal (verlässliche Wahrung der Anonymität der hinweisgebenden Person bei gleichzeitig offener Kommunikation zwischen dieser und der Ombudsperson) würde wegfallen. Anonyme Meldungen, bei denen mit der hinweisgebenden Person kommuniziert werden kann, können in diesem Fall praktisch nur noch über internet-basierte Systeme sichergestellt werden. Dies wird dem Bedarf nach Meldestellen, die anonyme Meldungen zulassen, nicht gerecht. Wie bspw. die Erhebung der Fachhochschule Graubünden in vier europäischen Ländern zeigt, erfolgen 48% der Erstmeldungen in anonymer Form (soweit von der Organisation zugelassen), vgl. Whistleblowing Report 2021, S. 11; https://www.integrityline.com/de-ch/knowhow/white-paper/whistleblowing-report/.

Diese Betrachtungen lassen (zumindest bei Fehlen eines elektronischen Hinweisgeberkanals) schließlich die Folgerung zu, dass die hinweisgebende Person ein gutes Argument zur Hand hätte, ihren Hinweis unter Umgehung der internen Meldestelle gemäß § 22 Abs. 1 HinSchG sofort an eine externe Meldestelle (z. B. Bundeskartellamt) zu richten („Furcht vor Repressalien im Zusammenhang mit mangelndem Vertrauensschutz“). Die Sollbestimmung gemäß § 7 Abs. 1 HinSchG, wonach hinweisgebende Personen die interne Meldestelle als erste Anlaufstelle bevorzugen sollen, sofern sie keine Repressalien befürchten, wäre auf Grund des mangelhaften Vertrauensschutzes somit leicht auszuhebeln. Dies kann nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen.

Praktische Handlungsanweisung: Wenn eine Ombudsperson Meldungen von hinweisgebenden Personen auf deren Wunsch auch anonym behandeln können soll, muss die Ombudsperson mit der Organisation vertraglich vereinbaren, dass sie die Identität der hinweisgebenden Person in diesem Fall der Organisation gegenüber nicht offenlegen muss.

These 11: Der Mandatsvertrag sollte so ausgestaltet werden, dass die Ombudsperson anonyme Hinweise entgegennimmt und bearbeitet.

Auf diese Weise entschließen sich mehr Personen zur Abgabe eines Hinweises.

Zwar ist die Ausgestaltung des Meldekanals zur Entgegennahme anonymer Hinweise gesetzlich nicht verpflichtend (§ 16 Abs. 1 S. 4 HinSchG). Allerdings ist es im Interesse der Organisation, möglichst umfassend relevante Informationen zu erlangen und so ihren gesetzlichen Verpflichtungen zur Aufklärung von Fehlverhalten und der Fortentwicklung ihres Compliance-Systems nachzukommen (vgl. insb. §§ 93 AktG, 43 GmbHG).

Im Einzelfall kann sich eine Verpflichtung zur Bearbeitung anonymer Meldungen mit substantiierten Inhalten ohnehin aus allgemeinen Vorschriften ergeben.

These 12: Die Zuständigkeit für die konzernweite Entgegennahme und Bearbeitung von Meldungen ist mit der Organisation zu klären, insbesondere im Zusammenhang mit Auslandssachverhalten.

In Deutschland herrscht seit Inkrafttreten des HinSchG die überwiegende Meinung vor, dass es nach § 14 Abs. 1 S. 1 HinSchG für einen Konzern, also für die Muttergesellschaft sowie sämtliche Tochter- und Schwestergesellschaften, zur Erfüllung der Pflicht aus § 12 HinSchG ausreicht, konzernweit eine Meldestelle einzurichten, die mit den entsprechenden Meldekanälen ausgestattet ist. Es muss also nicht jede juristische Person innerhalb eines Konzerns, die in der Regel mehr als 50 Beschäftigte hat (§ 12 Abs. 2 HinSchG), eine eigene interne Meldestelle mit verschiedenen Meldekanälen einrichten. Vielmehr kann ein „Dritter“ von allen Gesellschaften mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragt werden und entsprechende Meldekanäle einrichten, § 14 Abs. 1 S. 1 HinSchG. Insofern kann eine Ombudsperson auch als besonderer Meldekanal für einen Konzern mit all seinen Einzelgesellschaften tätig sein.

Weltweit gelten indes unterschiedliche gesetzliche Regelungen, so dass ein bestimmter Sachverhalt in einem Land rechtlich anders zu beurteilen sein kann als in einem anderen. In welchem Umfang und mit welchem Auftrag eine Ombudsperson daher für die Entgegennahme und Bearbeitung von Auslandssachverhalten zuständig sein soll, ist vorab mit der mandatierenden Organisation zu besprechen und vertraglich festzuhalten. Bei der vertraglichen Regelung ist darauf zu achten, dass die mandatierende Organisation sicherstellt, dass die Ombudsperson auch tatsächlich im jeweiligen Land tätig sein und Meldungen entgegennehmen sowie bearbeiten darf (insbesondere mit Blick auf die jeweiligen nationalen Regelungen zum Datenschutz und zum Arbeitsrecht).

These 13: Die Ombudsperson kann zugleich besonderer Meldekanal (oder interne Meldestelle) und Beschwerdestelle i.S.d. LkSG sein.

Gem. § 8 Abs. 1 S. 1, 2 LkSG müssen Unternehmen ein angemessenes, unternehmensinternes Beschwerdeverfahren einrichten, das es ermöglicht, auf menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken sowie auf die Verletzung menschenrechts- und umweltbezogener Pflichten hinzuweisen, die durch das wirtschaftliche Handeln des Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich oder im Bereich eines unmittelbaren Zulieferers des Unternehmens entstanden sind. Unternehmen sind nicht lediglich zur Entgegennahme, Kenntnisnahme und Berücksichtigung von entsprechenden Hinweisen verpflichtet, sondern gem. § 8 Abs. 1 S. 3, 4 LkSG auch zur Interaktion mit der hinweisgebenden Person. Insbesondere ist Kontakt zur hinweisgebenden Person aufzunehmen und ist der betreffende Sachverhalt mit dieser zu erörtern.

Zu etablieren ist mithin ein internes Hinweisgebersystem, dessen Einrichtung auch nach dem Hinweisgeberschutzgesetz verlangt wird, vgl. § 12 Abs. 1 S. 1 HinSchG. Der Sinn und Zweck entsprechender Beschwerdemechanismen besteht jeweils zumindest auch darin, dem Unternehmen als Frühwarnsystem zu dienen. Schließlich können eingehende Beschwerden jeweils wertvolle Hinweise auf bestehende Risikolagen enthalten, die im besten Fall das Unternehmen zu Präventions- und/oder Abhilfemaßnahmen veranlassen und dadurch die Ausweitung von Risiken bzw. den Eintritt von Schäden verhindern können.

Die Anforderungen des LkSG an die Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens, insbesondere an die Einrichtung von Stellen zur Meldung von Hinweisen sind nicht strenger als die des HinSchG und enthalten diesem gegenüber keine Besonderheiten, die einer Mandatierung der Ombudsperson als (zugleich) Beschwerdestelle i.S.d. LkSG entgegenstünden. Es ist lediglich zu beachten, dass nach § 8 Abs. 2, 4 S. 1 LkSG auf das Beschwerdeverfahren und die Verfahrensordnung öffentlich hinzuweisen ist und nicht nur – wie beim Meldekanal nach dem HinSchG – gegenüber den eigenen Beschäftigten. Ein Unternehmen kann folglich eine Ombudsperson nicht nur als besonderen Meldekanal (oder als interne Meldestelle) nach dem HinSchG, sondern auch mit der Entgegennahme von Hinweisen nach dem LkSG beauftragen. Vor dem Hintergrund der vergleichbaren Zwecksetzungen lassen sich wertvolle Synergieeffekte erzielen. Zudem erspart diese Lösung einer potenziellen hinweisgebenden Person die Hürde, selbst herausfinden zu müssen, welche Stelle für „ihren“ Sachverhalt zuständig ist.

These 14: Gegenüber den Behörden besteht auch mit Blick auf die von der hinweisgebenden Person der anwaltlichen Ombudsperson anvertrauten Informationen ein Zeugnisverweigerungsrecht der Ombudsperson nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO.

Unbeschadet der Regelungen im HinSchG ist es standardisierte Praxis, dass zwischen Organisation und anwaltlicher Ombudsperson ein Mandatsvertrag geschlossen wird, der die Verhältnisse zwischen Organisation und Ombudsperson einerseits bzw. hinweisgebender Person und Ombudsperson andererseits regelt. Üblicherweise wird insoweit ein Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte angenommen (vgl. These 7). Schutzklauseln zur Wahrung der Identität der hinweisgebenden Person gegenüber der Organisation, ein unwiderruflicher Verzicht der Organisation auf Auskunfts- bzw. Herausgabeansprüche gegenüber der Ombudsperson aus dem Anwaltsvertrag bzgl. der Identität der hinweisgebenden Person („kleine Lösung“) und ggf. über den Schutzstandard des HinSchG hinausgehend auch des anvertrauten Sachverhalts („große Lösung“) sowie eine vertragliche Verschwiegenheitsverpflichtung der Ombudsperson gegenüber Dritten, bilden den gegenwärtigen Standard ab. Explizite Regelungen im Mandatsvertrag zwischen der Organisation und der Ombudsperson sind ausdrücklich zu empfehlen.

Wird die Tätigkeit einer Ombudsperson durch einen Anwalt ausgeübt, handelt es sich um anwaltliche Tätigkeit (vgl. These 3). Meldungen und die damit in Zusammenhang stehenden Informationen (einschließlich der Identität der hinweisgebenden Person) werden einer anwaltlichen Ombudsperson daher in deren Eigenschaft als Rechtsanwalt anvertraut bzw. bekannt. Folglich besteht in Bezug auf diese Informationen ein Zeugnisverweigerungsrecht der anwaltlichen Ombudsperson, § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO.

Die Ombudsperson hat im Einzelfall und – je nach konkreter Ausgestaltung der Vertraulichkeit – unter Beachtung des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO zu prüfen, wer (die hinweisgebende Person und/oder die Organisation) für eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht zur Person und/oder zum anvertrauten Sachverhalt zuständig ist.

Eine Einzelmeinung verneint dieses Zeugnisverweigerungsrecht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage, 2023, § 53, Rn. 15 m.w.N.), allerdings ohne tragfähige Begründung. Hinweisgebende Personen sind auf die ungeklärte Rechtslage hinzuweisen.

These 15: Nach aktueller landgerichtlicher Rechtsprechung sind die Unterlagen der anwaltlichen Ombudsperson nicht vor der Beschlagnahme geschützt. Dieser Zustand ist unbefriedigend, da er den Hinweisgeberschutz konterkariert und dadurch die Akzeptanz von Hinweisgebersystemen bei potenziell hinweisgebenden Personen erschwert. Es bedarf insoweit einer Gesetzesänderung.

Nach derzeitiger Rechtsprechung besteht kein Beschlagnahmeschutz nach §§ 97 Abs. 1 Nr. 3, 160a StPO bei der anwaltlichen Ombudsperson (vgl. LG Bochum, Beschl. v. 16.3.2016 − 6 Qs 1/16, BeckRS 2016, 15626; LG Stuttgart, Beschluss vom 26.3.2018 – 6 Qs 1/18 = BeckRS 2018, 8717; BVerfG vom 27.06.2018 – 2 BvR 1405/17, NJW 2018, 2385 „Jones Day“; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage, 2023, § 97, Rn. 10a m.w.N.). Hinweisgebende Personen sind darauf hinzuweisen (s. These 17).

Eine entsprechende Anpassung der gesetzlichen Regelung ist dringend nötig: Meldungen durch hinweisgebende Personen werden oftmals nur deswegen abgegeben, weil die hinweisgebende Person auf die Verschwiegenheit der Ombudsperson und den geschützten Raum vertraut, in dem die Meldung abgegeben und anschließend verarbeitet wird. Häufig kommt es der hinweisgebenden Person dabei gerade auf den Schutz ihrer Identität an. Muss sie befürchten, dass diese durch Beschlagnahmehandlungen aufgedeckt wird, hält diese Sorge sie möglicherweise vollständig von einer – von der Organisation gerade erwünschten – Meldung ab.

Im Übrigen kann der hinweisgebenden Person tatsächlich kein vollständiger Schutz gewährt werden, wenn zu befürchten steht, dass aufgrund von Durchsuchungsmaßnahmen die Identität der hinweisgebenden Person aufgedeckt wird. Spätestens mit der Akteneinsicht erführe dann auch die von der Meldung betroffene Person, wer die Meldung konkret abgegeben hat. Dies kann zu entsprechenden Risiken für die hinweisgebende Person führen.

These 16: Die Ombudsperson hat situationsangemessen und transparent über die eigene Stellung, die Arbeitsweise, den Verfahrensablauf sowie über die Stellung und den Umfang des Schutzes der hinweisgebenden Person zu informieren.

Um Missverständnissen der Hinweisperson beim Kontakt mit einer anwaltlichen Ombudsperson vorzubeugen, sollte die hinweisgebende Person auf das bestehende Mandatsverhältnis zur Organisation hingewiesen werden.

Offene Fragen zu den Voraussetzungen und der Reichweite ihres Schutzes und der Arbeitsweise der Ombudsstelle (z.B. Verfahrensgang; die Frage, ob die Meldung „automatisch“ zur Untersuchung an die Organisation weitergeleitet wird; Umfang der Rückmeldung; etwaige Folgemaßnahmen; datenschutzrechtliche Regelungen) sollten bereits zu Beginn des Erstgesprächs beantwortet werden.

These 17: Die Ombudsperson muss Hinweise plausibilisieren (Schlüssigkeitsprüfung).

„Plausibilisierung“ bedeutet eine Vorabprüfung des Hinweises in Bezug auf dessen Glaubhaftigkeit, die Glaubwürdigkeit der hinweisgebenden Person sowie die Bewertung von möglichen weiteren Beweismitteln. Bei einem strafrechtlichen Bezug gilt § 152 Abs. 2 StPO sinngemäß. Dabei geht es nicht um eine abschließende Beurteilung, sondern eine vorläufige Einschätzung.

Ein nicht vollständig plausibler Hinweis kann es erforderlich machen, dass die Ombudsperson mit der hinweisgebenden Person Rücksprache hält.

Ohne diese vorläufige rechtliche und tatsächliche Bewertung riskiert die Organisation die Einleitung potenziell kostspieliger und zeitaufwändiger Untersuchungen auf der Grundlage ungenauer, irreführender oder falscher Informationen. Darüber hinaus können falsche oder irreführende Hinweise in Rechtspositionen Dritter eingreifen.

Die Prüfung der Plausibilität von Hinweisen durch die Ombudsperson spielt eine zentrale Rolle in der sachgerechten Handhabung dieser Hinweise. Sie trägt dazu bei, die Integrität der Organisation zu wahren, Ressourcen effizient einzusetzen und das Vertrauen in den Hinweisgeber-Prozess zu stärken.

These 18: Hinweise können Geschäftsgeheimnisse und illegal erlangte Informationen enthalten. Hier hat die Ombudsperson besonders sorgfältig zu prüfen, ob und ggf. inwieweit sie diese Informationen zur weiteren Sachverhaltsaufklärung verwenden kann.

Aufgabe der Ombudsperson ist die Entgegennahme und Bearbeitung von Meldungen. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob diese Meldungen Geschäftsgeheimnisse, illegal erlangte Informationen enthalten oder entgegen sonstigen Verschwiegenheits- und Geheimnispflichten mitgeteilt werden.

Ausnahmen hiervon gelten nach § 5 Abs. 1 HinSchG für Mitteilungen, die bestimmte nachrichtendienstliche Informationen oder Informationen enthalten, die die nationale Sicherheit betreffen, sowie für Meldungen über Vergabeverstöße, die unter Artikel 346 AEUV fallende Verteidigungs- oder Sicherheitsaspekte beinhalten. Ebenso unterfällt nach § 5 Abs. 2 HinSchG die Mitteilung dem Anwendungsbereich nicht, wenn sie Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflichten zum materiellen oder organisatorischen Schutz von Verschlusssachen, dem richterliche Beratungsgeheimnis oder verschiedenen berufsbezogenen Verschwiegenheitspflichten (u.a. der ärztlichen und anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht) zuwiderläuft.

Abgesehen von der Pflicht der Ombudsstelle, Meldungen verfahrensgerecht zu bearbeiten, die unter den Schutz des HinSchG fallen, stellt sich für die Hinweisperson die Frage nach den rechtlichen Folgen einer Mitteilung:

Im Hinblick auf Geschäftsgeheimnisse ist die Mitteilung gegenüber der Ombudsstelle abgesehen von § 5 Nr. 2 GeschGehG erlaubt, sofern die hinweisgebende Person hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die Mitteilung des Geschäftsgeheimnisses notwendig ist, um einen Verstoß aufzudecken (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG) und die übrigen (allgemeinen) Voraussetzungen für den Schutz der hinweisgebenden Person vorliegen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 2 und 3 HinSchG).

Entsprechendes gilt gemäß § 6 Abs. 2 HinSchG für die Mitteilung von Informationen, die den von der Norm in Bezug genommenen vertraglichen bzw. gesetzlichen Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten unterliegen.

Für die Ombudsstelle selbst ergeben sich beim Umgang mit Mitteilungen, die Geschäftsgeheimnisse und sonstige Geheimnisse enthalten, besondere Anforderungen (§ 6 Abs. 3 und 4 HinSchG):

Diese Informationen dürfen nur im erforderlichen Maß für das Ergreifen von Folgemaßnahmen durch die Mitarbeitenden der Ombudsstelle verwendet und weitergegeben werden. Im Übrigen unterliegen die bei der Ombudsstelle tätigen Personen selbst und im gleichen Umfang den Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten, denen im Ausgangspunkt die hinweisgebende Person unterlag.

These 19: Die hinweisgebende Person hat einen Anspruch auf eine aussagekräftige Rückmeldung. Diese erfolgt nach den gesetzlichen Regelungen und unter Wahrung der rechtlichen Interessen aller Beteiligten.

Nach § 17 Abs. 2 S. 1 HinSchG hat die interne Meldestelle (dies kann die Ombudsperson sein oder die interne Meldestelle kann die Ombudsperson als besonderen Meldekanal damit beauftragen, vgl. These 9) der hinweisgebenden Person innerhalb einer bestimmten Frist eine Rückmeldung zu geben. Sie umfasst gem. § 17 Abs. 2 S. 2 HinSchG die „Mitteilung geplanter sowie bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese.“ Rückmeldungen an die hinweisgebende Person dürfen nur in dem Umfang erfolgen, als dadurch interne Nachforschungen oder Ermittlungen nicht berührt und die Rechte der Personen nicht beeinträchtigt werden, die Gegenstand der Meldung sind oder in selbiger genannt werden.

Aus den Vorschriften ist daher bereits das Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht zur umfassenden Rückmeldung an die hinweisgebende Person auf der einen und dem Schutz der Ermittlungen bzw. der Rechte Dritter auf der anderen Seite zu erkennen. Das Spannungsverhältnis wird vom Gesetz im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses zugunsten des Schutzes der Ermittlungen und der Rechte der von der Meldung betroffenen Person aufgelöst.

These 20: Für anwaltliche Ombudspersonen gelten die berufsrechtlichen Aufbewahrungsfristen.

Die berufsrechtlichen Regelungen (§ 50 Abs. 1 S. 2 BRAO) gehen als spezialgesetzliche Regelungen den allgemeinen datenschutzrechtlichen sowie den Regelungen des HinSchG zur Aufbewahrung vor. Die Aufbewahrungspflicht von Handakten, wozu die Mitteilungen nach § 17 HinSchG zählen, besteht demnach für sechs Jahre, beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahres nach Abschluss des jeweiligen Vorgangs.

These 21: Anwaltliche Ombudspersonen und ausgelagerte interne Meldestellen sind verantwortlich für die Datenverarbeitung.

Fungiert ein Anwalt als Ombudsperson, ist seine Tätigkeit als Ombudsperson anwaltliche Tätigkeit. Anwälte erheben und verarbeiten im Mandatsverhältnis eigene Daten und sind keine Auftragsverarbeiter nach Art. 28 DSGVO.

Fungiert der Anwalt als interne Meldestelle, ist er ebenfalls kein Auftragsverarbeiter, da § 15 Abs. 1 S. 1 HinSchG die Unabhängigkeit der Meldestelle vorschreibt. Wenn jedoch die Folgemaßahmen in enger Zusammenarbeit mit einer Compliance-Stabstelle der Organisation durchgeführt und dabei Daten ausgetauscht werden, sollte die gemeinsame Verantwortlichkeit nach Art. 26 DSGVO geprüft werden.

These 22: Die Ombudsperson muss ein angemessenes Datenschutzniveau für eingehende Meldungen gewährleisten.

Durch technische und organisatorische Maßnahmen i.S.d. Art. 32 DSGVO ist dafür zu sorgen, dass unberechtigte Dritte keinen Zugriff auf die Meldungen sowie damit im Zusammenhang stehende Kommunikation und Dokumentation erhalten (vgl. § 16 Abs. 2 HinSchG).

Geeignete Mittel sind z.B. die Verschlüsselung der Daten, Geheimhaltungsverpflichtungen der Zugriffsberechtigten, Berechtigungskonzepte.

Der Prozess der Entgegennahme und Verarbeitung von Hinweisen auf Verstöße ist bei der Organisation und bei der anwaltlichen Ombudsperson im Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten (VVT) zu erfassen und zu beschreiben.

Die anwaltliche Ombudsperson sollte prüfen, ob in ihrem konkreten Fall eine gesonderte Datenschutzfolgeabschätzung (DSFA) erforderlich ist.

These 23: Die Informations- und Auskunftsrechte der gemeldeten Person und benannter weiterer Personen sind beschränkt.

Die gemeldete Person muss aufgrund der Ausnahmeregelung in Art. 14 Abs. 5 b) DSGVO bei Erhebung ihrer Daten nicht von der Verarbeitung informiert werden, wenn damit die Verwirklichung des Hinweisverfahrens unmöglich gemacht oder ernsthaft beeinträchtigt wird.

Einem Auskunftsersuchen über Art. 15 DSGVO kann § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG entgegengehalten werden, wenn die Auskunft Informationen offenbaren würde, die nach § 8 HinSchG geheim gehalten werden müssen. Ist das HinSchG für den Verantwortlichen nicht einschlägig, muss eine Interessenabwägung i.R.d. § 29 Abs. 1 S.2 BDSG stattfinden.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der von der hinweisgebenden Person benannten weiteren Personen (Beteiligte, Zeugen).

Die Verpflichtung, die Informations- und Auskunftsrechte der gemeldeten und weiterer Personen zu erfüllen, trifft alle datenschutzrechtlichen Verantwortlichen (s. These 22).